StartWirtschaft"AlixPartners Aufsichtsrats-Radar 2020": Der Aufsichtsrat im Krisenmodus: Navigator im Sturm

„AlixPartners Aufsichtsrats-Radar 2020“: Der Aufsichtsrat im Krisenmodus: Navigator im Sturm

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München (ots) –

– Rolle von Aufsichtsräten in instabilen Phasen und Krisen wie Covid-19 im Spannungsfeld zwischen originärer Kontrollfunktion und aktivem Einbringen ins Krisenmanagement – 55% aller im abgelaufenen Jahr bei Unternehmen in wirtschaftlich instabilem Umfeld berufenen Aufsichtsräte bringen deutliche Restrukturierungserfahrung mit – Reifegrad der Aufsichtsgremien in Krisensituationen niedriger als in wirtschaftlich stabilem Umfeld: Reifegrad im Risikomanagement jetzt auf 64% eingeschätzt statt 70% vor Covid-19 – Engagement und Bereitschaft zu entschlossenem Handeln gepaart mit kritischer Distanz und strategischer Weitsicht werden für Aufsichtsräte jetzt zu Erfolgsfaktoren

Im ersten Halbjahr 2020 traf die Covid-19-Pandemie fast die gesamte Welt mit voller Wucht. Tatsächlich war bereits im Jahr zuvor für viele Branchen das wirtschaftliche Umfeld auch – etwa im Hinblick auf den Brexit oder Spannungen im globalen Handel – instabiler geworden und erste Krisenzeichen hatten sich gezeigt. Die Krise stellt besondere Anforderungen an Expertise und Arbeitsweise in den Führungsetagen der Unternehmen – nicht nur im operativen Vorstand, sondern genauso im an sich überwachenden Aufsichtsrat.

So stehen erfahrene Krisenmanager für Aufsichtsratsposten hoch im Kurs: Mit durchschnittlich 55% (DAX: 47%; MDAX: 50%; ATX: 83%) verfügten bereits 2019 mehr als die Hälfte aller in den wichtigsten deutschen und österreichischen Unternehmen in wirtschaftlich instabilem Umfeld neu berufenen Aufsichtsräte über signifikante Restrukturierungserfahrung. Zudem intensivierte sich die Zusammenarbeit innerhalb des Aufsichtsrats und mit dem Management. In Unternehmen in angespannter Situation kamen 2019 die Aufseher mit 7,9 Sitzungen im Schnitt auf 2,2 Aufsichtsratssitzungen mehr als solche von wachstumsstarken und profitablen Vergleichsunternehmen.

Im jährlichen „Aufsichtsrats-Radar“ von AlixPartners hat sich der ermittelte Reifegrad der Zusammensetzung und Tätigkeit von Aufsichtsräten in sämtlichen Bereichen in der Vergangenheit kontinuierlich verbessert. 2020 zeigen sich jedoch erstmalig niedrigere Werte in vier der fünf Untersuchungsdimensionen.

Fühlte sich ein Großteil der untersuchten Aufsichtsratsgremien in der zurückliegenden fast zehnjährigen Aufschwungphase noch gut bis sehr gut aufgestellt, so zeigen sich zunehmend Zweifel, wenn es darum geht, wie effektiv der Aufsichtsrat in Krisensituationen agieren kann. Denn gerade in den derzeit besonders relevanten Dimensionen „Risikomanagement“ und „Kooperation und Kommunikation“ fallen die Werte mit 64% (2019: 70%) sowie 72% (2019: 75%) deutlich niedriger aus.

Stabil zeigt sich dagegen die Einschätzung der Zusammensetzung des Aufsichtsrats mit 66% wie auf Vorjahresniveau: Diese muss international, funktional, nach Branchen- und Industrieerfahrung, Geschlecht, Digital-Know-how und nicht zuletzt (Krisen-)Erfahrung ausbalanciert sein.

Im Spannungsfeld zwischen ausufernden Erwartungen und definiertem Mandat

Die Arbeit des Vorstands begleiten und überwachen, als vorausschauender Stratege im Hintergrund das Unternehmen voranbringen und gleichzeitig organisatorische Überraschungen vermeiden – all das müssen Aufsichtsräte unter dem zunehmend kritischen Blick der Öffentlichkeit leisten. In wirtschaftlich kritischen Phasen steigen die Erwartungen noch weiter, aktiv an der Unternehmensrettung mitzuwirken – zum Teil auch über das Mandat des Aufsichtsrats hinaus. Aufsichtsräten werden kritisch-konstruktive Sparringspartner des Vorstands, aber engagieren sich auch direkt: Sie müssen mit strategischem Rat zur Verfügung stehen und unterstützen sowie Verantwortung übernehmen, wenn überwältigende Entwicklungen das Management in eine Schockstarre zu versetzen drohen.

„Dies führt zu einer Verschiebung von Kontrolle und Überwachung hin zu einer aktiveren Rolle des Aufsichtsrats“, kommentiert Andreas Rüter, Co-Autor der Studie und Deutschlandchef von AlixPartners. „Was wertstiftend klingt, ist tatsächlich ein massiver Kraft- und Balanceakt: Je intensiver sich der Aufsichtsrat in kritischen Phasen persönlich einbringt, desto größere Spannungen muss er aushalten – im Verhältnis zu der ihm eigentlich gegebenen Rolle als Kontrollorgan im Hintergrund, seiner persönlichen Involvierung, aber auch den langfristigen Implikationen seines Handelns.“

Enge Kooperation zwischen Vorstand und Aufsichtsrat und richtige Kompetenzen essentiell

Einhellig betonen die durch AlixPartners befragten Aufsichtsräte, dass sich ihre Zusammenarbeit im Gremium, aber vor allem mit dem Vorstand in den vergangenen Jahren deutlich intensiviert hat. „Faktisch übernehmen Aufsichtsräte bei Unternehmen in Schieflage mehr Verantwortung für wirtschaftlichen Erfolg oder Misserfolg. Dabei können sie sowohl in persönliche Reputations- als auch rechtliche Haftungsrisiken geraten“, sagt Dr. Jan Kantowsky, Co-Autor der Studie und Managing Director bei AlixPartners. „Wer schon einmal eine Restrukturierung gemeistert hat, kann die Handlungsfähigkeit des gesamten Gremiums vorantreiben und als Macher punkten. Der Aufsichtsratstyp ’sturmerprobter Navigator‘ ist jetzt Gold wert.“

Da sich die Zusammensetzung des Aufsichtsrats jedoch kurzfristig kaum verändern lässt, gilt es umso mehr, bereits in guten Zeiten einen systematischen, vorausschauenden und professionellen Auswahlprozess vorzunehmen. Dieser muss berücksichtigen, dass heute Krisenerfahrung schneller gefragt sein kann, als sich vorhersehen lässt. Dass hier Verbesserungsbedarf besteht, zeigt sich daran, dass der Reifegrad in der Dimension „Auswahlprozess“ in der diesjährigen Analyse mit 69% niedriger bewertet wird als zuvor in stabilerem Umfeld (2019: 75%).

Krisen legen Entwicklungsbedarf offen, gerade im Risikomanagement

Die intensive Aufsichtsratsarbeit in Krisensituationen zeigt nicht nur auf, wo Risiken vor und in der Krise besser erkannt und adressiert werden sollten. Sie stellt auch Fragen nach der individuellen Bereitschaft, persönlich Verantwortung und Risiken zu übernehmen. In diesem Umfeld bewerten die 2020 Befragten den Reifegrad von Risikomanagement und Governance-Prozessen deutlich niedriger mit 64% gegenüber 70% im stabileren Vorjahr. In allen Gremien nimmt der zeitliche Aufwand für Risiko-, Governance- und Compliance-Themen erheblich zu.

Einige der von AlixPartners interviewten Aufsichtsräte warnen jedoch vor einer „Fehlsteuerung“ durch zu formale, umfangreiche Berichte und Dokumentation mit dem Ziel, sämtliche Unwägbarkeiten bedacht zu haben. „Aufsichtsräte müssen zusammen mit dem Vorstand für maximale Transparenz sorgen. Eine solide Datenbasis und der Blick von außen helfen, kritische Handlungsfelder zu identifizieren und Gefahren zu mindern – für die Aufsichtsräte selbst wie auch für die Unternehmen“, sagt Jan Kantowsky. „Wesentlich ist der richtige Fokus auf die materiellen Themen.“

Zweifel zeigen sich in Krisenzeiten umso mehr daran, ob die erhöhte persönliche Exposition, die Intensität und der steigende Zeitaufwand von Aufsichtsräten – jenseits der natürlich wesentlichen intrinsischen Motivation – angemessen kompensiert werden. So fällt die Einschätzung in der Dimension „Vergütung“ mit 47% niedrig aus (Vorjahr 60%). Eine Anpassung nach oben, während sich das Unternehmen selbst in einem schwierigen wirtschaftlichen Umfeld befindet, würde intern und extern das falsche Signal senden. Perspektivisch sollte jedoch überlegt werden, wie bessere Mechanismen gefunden werden können, gerade in intensiven Krisenzeiten hohen Einsatz objektiv zu erkennen und zu würdigen.

Das dualistische deutsche Governance-System mit operativem Vorstand und überwachendem Aufsichtsrat wird von vielen Befragten als Garant für ausgewogene Checks and Balances in der Unternehmensführung gewürdigt. Erkannt wird aber auch, dass ein monistisches Gremium, in dem vor allem im angelsächsischen Raum Führung und Überwachung nicht institutionell getrennt sind, per se eine schlankere Struktur darstellt. Diese kann gerade in kritischen Situationen mehr Flexibilität gewährleisten und angesichts der deutlich engeren Einbindung der nicht geschäftsführenden Mitglieder oft zügiger und entschlossener agieren.

Andreas Rüter gelangt zum Fazit: „Unabhängig von der formalen Ordnung der Unternehmens-Governance sind für den Aufsichtsrat Kompetenz und Nähe zum Unternehmen, Flexibilität und unternehmerische Entschlossenheit, aber auch Weitsicht sowie die konstruktive Zusammenarbeit und Entscheidungsfindung ausschlaggebend für ein erfolgreiches Krisenmanagement. Ganz nebenbei belegt Covid-19 die zentrale Bedeutung von Digitalkompetenz auch im Aufsichtsrat.“

Über das AlixPartners Aufsichtsrats-Radar 2020:

In der Zeit von November 2019 bis März 2020 interviewte AlixPartners ausgewählte Aufsichtsratsmitglieder aus DAX-, MDAX-, ATX- und Familienunternehmen entlang eines strukturierten Gesprächsleitfadens. Grundlegende Frage war, wie ein Aufsichtsrat vor dem Hintergrund einer aufziehenden Krise aufgestellt sein und agieren sollte, um bestmöglich mit den sich daraus ergebenden unternehmerischen Herausforderungen umzugehen. Der inhaltliche Schwerpunkt auf die Restrukturierungserfahrung und den Umgang mit kritischen Situationen in der Aufsichtsratsarbeit wurde anschließend entlang der fünf vorgestellten Dimensionen des AlixPartners Aufsichtsrats-Radars bewertet und daraus der Reifegrad der Aufsichtsräte für die einzelnen Dimensionen abgeleitet:

1. Intensive Kommunikation und Kooperation innerhalb des Aufsichtsrats und mit der Unternehmensführung 2. Effektive Risikomanagement- und Governance-Prozesse 3. Qualifizierte Zusammensetzung und angemessener Kompetenzmix 4. Strukturierter Auswahlprozess für neue Mitglieder 5. Angemessene Vergütung

Quantitative Analysen zu unterschiedlichen Aspekten im Bereich der Aufsichtsratsarbeit ergänzten die Interviews. Analysiert wurden z. B. die Zusammensetzung von Aufsichtsräten in Unternehmen, die Anzahl der Aufsichtsratssitzungen und die Nennungshäufigkeit in Zeitungen unter Bezug auf unterschiedliche Quellen bzw. Datenbanken.

Über AlixPartners

Die global agierende Beratung AlixPartners steht für die ergebnisorientierte Unterstützung namhafter Mandanten bei zeitkritischen und komplexen Transformations- und Ertragssteigerungsprogrammen. Tiefgreifende Branchenexpertise und funktionale Kompetenz sowie die Kenntnis der Hebel erfolgreicher Restrukturierungen ermöglichen es AlixPartners, den Wandel von Groß- und mittelständischen Unternehmen zielgerichtet zu begleiten.

Vom „manager magazin“ und der Wissenschaftlichen Gesellschaft für Management & Beratung (WGMB) wurde AlixPartners 2018 als bestes Beratungsunternehmen im Bereich Restrukturierung & Transformation ausgezeichnet. Mit etwa 1.600 Mitarbeitern ist AlixPartners weltweit in mehr als 25 Büros vertreten. AlixPartners-Berater arbeiten an herausfordernden Projekten, die die Zukunft von Unternehmen maßgeblich beeinflussen, oft in kritischen Situationen, bei denen viel auf dem Spiel steht – when it really matters.

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