StartAuto und VerkehrŠKODA 1101 ,Tudor‘ (1946): Geschichte eines Multitalents

ŠKODA 1101 ,Tudor‘ (1946): Geschichte eines Multitalents

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Mladá Boleslav (ots) – › Vor 75 Jahren rollte in Mladá Boleslav der erste ŠKODA 1101 ,Tudor‘ vom Band

› Mit der Fertigung dieses ersten Nachkriegsmodells startete zugleich die Kooperation der Standorte Mladá Boleslav, Kvasiny und Vrchlabí

› Trotz seines Spitznamens ,Tudor‘ war der vielseitige ŠKODA 1101 noch in zahlreichen weiteren Karosserievarianten erhältlich

› Zwischen 1946 und 1952 verließen insgesamt 66.904 zivile Exemplare sowie 4.237 Spezialausführungen für Streitkräfte die Werkshallen in Mladá Boleslav

› In mehr als 70 Ländern weltweit fand der ŠKODA 1101 viele begeisterte Kunden: Der Exportanteil lag bei über 65 Prozent

› Zusätzlich fuhr die Baureihe ŠKODA 1101/1102 auch zahlreiche bedeutende Motorsporterfolge ein

75 Jahre ist es her, dass die Marke ŠKODA die Produktion des ersten Nachkriegsmodells 1101 ,Tudor‘ aufnahm. Damals, im Frühling 1946, liefen die Bänder nicht nur in Mladá Boleslav an: Auch die neu eingegliederten Standorte Kvasiny und Vrchlabí unterstützten die Fertigung des neu entwickelten Multitalents. In den folgenden Jahren und Jahrzehnten avancierte der ebenso komfortable wie wirtschaftliche und selbst unter widrigsten Einsatzbedingungen zuverlässige ,Tudor‘ zum weltweiten Erfolgsmodell. Kunden aus mehr als 70 Ländern wussten die Qualität dieses Modells zu schätzen – hinzu kamen zahlreiche Erfolge bei internationalen Renn- und Rallye-Veranstaltungen. Damit läutete der ŠKODA 1101 ,Tudor‘ ein neues Kapitel in der Geschichte von ŠKODA AUTO ein.

Als der ŠKODA 1101 am Montag, den 6. Mai 1946, in Mladá Boleslav erstmals vom Band rollte, war ŠKODA bereits seit rund zehn Jahren der größte tschechische Automobilhersteller und -exporteur – eine Position, die das Unternehmen bis heute ungebrochen hält. Der ,Tudor‘ knüpfte nahtlos an die erfolgreichen Modelle POPULAR sowie RAPID an, wobei er sich vom POPULAR 1101 aus dem Jahr 1940 nicht nur durch sein modernes Karosseriedesign unterschied. So legte man beim während des Zweiten Weltkriegs geheim entwickelten ,Tudor‘ etwa einen Schwerpunkt auf verbesserte Verkehrssicherheit. Dies gelang unter anderem durch den Einsatz leistungsstarker Hydraulikbremsen und hydraulischer Stoßdämpfer an der Vorderachse, die darüber hinaus das Komfortniveau auf ein neues Level hoben. Hinzu kam ein spürbares Komfortplus in Sachen Geräuschniveau, das man wiederum durch die Kombination des hölzernen Karosserieskeletts mit natürlichen Dämmmaterialien sowie die Verwendung von Wollstoffbezügen erreichte.

Clever konstruiert: leichter Zentralrohrrahmen und Rundum-Einzelradaufhängung

Als Basis des modern gestalteten Fahrzeugs diente ein steifer und dabei relativ leichter Zentralrohrrahmen mit Rundum-Einzelradaufhängung. Für den Vortrieb sorgte ein kräftiger OHV-Vierzylinder-Ottomotor mit 1.089 ccm Hubraum. Er leistete 23,6 kW (32 PS) bei 4.600 1/min und verfügte über austauschbare ,nasse‘ Zylinderlaufbuchsen, die dank direkter Wasserkühlung den Service erleichterten. Als viersitzige Basisausführung mit zweitüriger geschlossener Karosserie (Außenabmessungen 4050 x 1500 x 1520 mm) brachte der ,Tudor‘ lediglich 940 Kilogramm auf die Waage. All dies ermöglichte eine für damalige Verhältnisse beachtliche Höchstgeschwindigkeit von bis zu 100 km/h – bei einem moderaten Verbrauch von rund acht Litern. 200 Millimeter Bodenfreiheit sorgten zusammen mit der robusten Fahrwerkskonstruktion dafür, dass der ŠKODA selbst in leichtem Gelände eine gute Figur machte. Eben jene Vielseitigkeit ebnete dem Neuen aus Mladá Boleslav auch den Weg auf die amerikanischen, afrikanischen oder asiatischen Märkte.

Der ,Tudor‘ war in verschiedenen Karosserievarianten erhältlich. Um die unterschiedlichen Bedürfnisse der Kunden im In- und Ausland bestmöglich zu bedienen, kam neben dem Zweitürer noch eine viertürige Limousine hinzu, die einen bequemeren Einstieg in die zweite Sitzreihe erlaubte. Das Angebot an offenen Karosserien umfasste das beliebte ,Tudor-Cabriolet‘ mit Textilfaltdach und in festen Rahmen gefassten Türen sowie eine elegante Roadster-Version. Für eher praktische Bedürfnisse ließ sich der ,Tudor‘ auch mit Lieferwagenkarosserie oder als Kombi ,Station Wagon‘ (STW) ordern. Dieser bot bei umgeklappter Rückbank eine 1.490 Millimeter lange und 980 bis 1.380 Millimeter breite Ladefläche.

Ein Bestseller auf Weltreise: Export in 76 Länder

Zum Preis von 67.700 Kronen ging der ŠKODA 1101 ab Mai 1946 auf dem tschechoslowakischen Markt in den Verkauf, allerdings ohne Bereifung. Schließlich waren Pneus damals kriegsbedingt noch Mangelware und nicht im Lieferumfang enthalten. Angesichts der schwierigen Situation mussten die Kunden zudem einen speziellen Bezugsschein vorlegen, der sie zum Kauf eines neuen Wagens berechtigte. Die Karriere des ŠKODA 1101 endete im März 1952 – und damit paradoxerweise vier Monate später als die des seit 1948 gebauten, modernisierten Modells 1102. Der ŠKODA 1102, der ebenfalls den Spitznamen ,Tudor‘ trug, unterschied sich von seinem Vorgänger auf den ersten Blick durch modifizierte Stoßfänger und den etwas schlichteren Kühlergrill. Im Innenraum bescherte die Verlagerung des Schalthebels an die Lenksäule Fahrern und Beifahrern mehr Beinfreiheit. Insgesamt wurden zwischen 1946 und 1952 insgesamt 66.904 ,Tudors‘ in ziviler Ausführung gebaut. Über 65 Prozent aller Fahrzeuge der Typen ŠKODA 1101 und 1102 gingen an ausländische Kunden. 1951 umfasste die Liste der Exportnationen bereits 76 Staaten. Zu den bedeutendsten Einzelmärkten zählten neben Polen, den Niederlanden, Belgien und der Bundesrepublik Deutschland auch weit entfernte Länder wie Australien, Brasilien, Indien, die Südafrikanische Union oder Kanada. Parallel dazu vertrauten nicht nur Sicherheitskräfte in der Tschechoslowakei auf die Kübelwagen-Derivate mit der Bezeichnung ŠKODA 1101 VO (vojenský otevřený – offener Militärwagen) und 1101 P (pohotovostní – Bereitschaftswagen), von denen über 4.000 Exemplare weltweit ausgeliefert wurden.

Erfolgreich im Motorsport: Klassensieg beim 24-Stunden-Rennen im belgischen Spa

Auch auf den Rennstrecken dieser Welt verzeichnete der ŠKODA 1101/1102 viele bedeutende Erfolge. Einer davon datiert auf den 11. Juli 1948: Beim 24-Stunden-Rennen im belgischen Spa fuhren gleich drei vom dort registrierten Automobilimporteur Healers angemeldete ,Tudors‘ in ihrer Klasse einen beeindruckenden Klassensieg ein. Auch starke und langanhaltende Regenfälle konnten die Wagen nicht bremsen, die nach 1.972 Kilometern mit knappen Abständen die Ziellinie passierten. Im Rahmen der gemeinsamen Boxenstopps verloren sie nicht viel Zeit beim Tanken, was neben dem auf 55 Liter vergrößerten Tank auch dem für Rennfahrzeuge sehr niedrigen Verbrauch von 8,1 Litern pro 100 Kilometer geschuldet war – bei einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 82,16 km/h. Als einziges Team absolvierte die ŠKODA Mannschaft das herausfordernde 24-Stunden-Rennen, das nur rund die Hälfte der Teilnehmer überhaupt beendete, ohne jegliche Strafpunkte. Im selben Jahr stärkte außerdem der Sieg des uruguayischen Architekten Arturo Porro im Rennen Montevideo-Melo-Montevideo das Motorsportrenommee der tschechischen Marke. Auf den zweiten Platz schaffte es ŠKODA AUTO Werksfahrer Borrat Fabini, der mit seinem ,Tudor‘ an die vielen Vorkriegserfolge mit dem ŠKODA POPULAR anknüpfte. In Europa meisterte das Werksteam um Václav Bobek, Jaroslav Netušil, Viktor Krupička und Miroslav Fousek verschiedene anspruchsvolle Rallyes wie die Raid Polski, die Schweizer Rally Interlaken oder die Österreichische Alpenfahrt.

Im September 1949 übernahm schließlich die Spezialanfertigung ŠKODA Sport mit Aluminiumkarosserie und verkürztem Radstand (http://www.skoda-media.de/press/detail/3728/) den Staffelstab auf den Rundstrecken von den seriennahen Fahrzeugen Š 1101/1102. Der bis zu 140 km/h schnelle Bolide behauptete sich unter anderem beim 24-Stunden-Rennen in Le Mans (24. bis 25. Juni 1950). Václav Bobek und Jaroslav Netušil setzten sich lange erfolgreich gegen die Konkurrenz durch und lagen bald in aussichtsreicher Position. Doch nach 13 Stunden im Rennen verlor der Wagen in der 121. Runde an Leistung und das Team musste aufgeben. Ursache war mit einer gebrochenen Kolbenstift-Sicherung ein kleiner Technikdefekt. Allerdings durften für die Reparatur nur im Wagen mitgeführte Teile verwendet werden und eine Ersatzsicherung war nicht an Bord. Bis zu ihrem Ausscheiden kämpften sich Václav Bobek und Jaroslav Netušil mit einer Durchschnittsgeschwindigkeit von 126 km/h auf den zweiten Platz der Klasse bis 1.100 ccm vor. Der 1.089-ccm-Vierzylinder mit 31 kW (42 PS) bei 5.200 1/min verbrannte ein Gemisch aus Benzin, Ethanol und Aceton.

Eine weitere Entwicklungsstufe des innovativen Sportlers stellte der ŠKODA SUPERSPORT mit seiner Aluminiumkarosserie und abnehmbaren Kotflügeln dar. Er entstand im Jahr 1950 in dreifacher Ausfertigung, die Leistung des Motors stieg bis auf 88 kW (120 PS), seine Höchstgeschwindigkeit betrug 170 km/h. Ein später eingebautes Kompressoraggregat mit 1.500 ccm Hubraum beschleunigte den Rennwagen auf bis zu 200 km/h. Viele Komponenten dieser Spezialfahrzeuge – etwa die Kupplung, das Getriebe und weitere Baugruppen – stammten unmittelbar aus der Serienversion ŠKODA 1101/1102 ,Tudor‘. Sie ließen sich leicht für die Renneinsätze modifizieren und stellten dabei zugleich ihre eindrucksvolle Robustheit selbst bei härtesten Belastungen unter Beweis.

Das Erbe der erfolgreichen ,Tudors‘ traten 1952 die ,Sedans‘ an, wie man die Modelle ŠKODA 1200/1201 nannte, drei Jahre später gefolgt von den ,Spartaks‘ (Š 440/445). Den Höhepunkt der Entwicklung von Fahrzeugen mit Zentralrohrrahmen markierten schließlich die beiden populären Modelle OCTAVIA und FELICIA, dessen Karriere erst kurz vor Weihnachten 1971 zu Ende ging.

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